5. Juni 2014

Das 1x1 von ICT in Buzz-Words

Nachdem ich mir am Montag die ersten beiden Vorträge über Industrie 4.0 (in my subjective nutshell: „weitere Informatisierung von Fabriken und Wertschöpfungsnetzwerken“ mit Hilfe „cyber-physicher Systeme“ zur effizienten und effektiven Erreichung kleinster Losgrößen in der Produktion, unter Berücksichtigung des Faktors Mensch) bei der Vorstellung des FFG-Calls „Produktion der Zukunft“ angehört habe, beschloss ich die schon länger im Kopf herumschwirrende Idee zu einem 1x1 der ICT für Manager und Provokateure im Zeitalter von Buzz-Words in einen Blog-Beitrag zu gießen.

Mit meinem "Schnellentwurf" soll den Lesern verständlicher werden, welche Konzepte hinter schwer oder leicht verdaulichen Buzz-Words (hier:  Industrie 4.0 - es gibt aber auch viele andere, meistens die mit den Nummern) lauern und dann im Detail diskutiert werden sollten. Somit kann man dann Sager wie „A: Da muss du auf Security achten. B: Ja genau!“ besser verstanden und vlt. im Detail diskutiert werden. Man möge mir bitte verzeihen, wenn ich nachfolgende Konzepte nur oberflächlich betrachte und nicht in der aus Sicht der Wissenschaft nötigen Tiefe und sie dabei bewusst sehr flapsig interpretiere. Denn macht man das in der Praxis doch nicht auch so? :)

Der (Faktor) Mensch (Entwickler, Nutzer, Entscheider, …) steht immer im Mittelpunkt, denn Informationssysteme sind keine technischen Systeme, sondern sozio-technische. Gerne kann man dazu mehr aus der wiss. Literatur entnehmen. Mit einiger Verzögerung wird das auch von anderen so geteilt bzw. gesehen. Denn man hört es trotzdem immer wieder auf Veranstaltungen (auch bei Industrie 4.0) als die "große Erkenntnis" beim Einsatz von Informationssystemen, dass eben der Mensch im Mittelpunkt stehen muss.

Daten, Informationen und Wissen sind die Essenz unserer heutigen Gesellschaft: Jeglicher solcher „Inhalt“ wird dabei von einem bzw. mehreren „Speicher(n)“ (z.B.: Gehirn, Datenbank, Web-Shop, … ) verwaltet. Doch nicht jeder Inhalt ist jederzeit und von jedem abrufbar, sondern benötigt bestimmte Datenverarbeitungs- und Bereitstellungs-, .. , oder menschliche Vorgänge zu seiner Nutzung. Oft existieren gemeine Rollen und Rechte, die das zu verhindern wollen oder wissen.

Interoperabilität: Da die ganze Welt bisher in der Praxis nicht in einem einzigen „Speicher“ abgebildet werden konnte (Stichwort no „single source of truth“), müssen zwischen einzelnen „Speichern“ (Datensilos, Informationssysteme, PLM-Systeme,  ….) eben Schnittstellen gebaut werden, damit Daten, Informationen und Wissen zwischen ihnen fließen können. Interoperabilität ist dann die Folge eines nicht existenten One-For-All-Systems.

Safety und Security: Dabei geht es einerseits um die technische Sicherheit von Systemen und deren Zuverlässigkeit, sowie andererseits um deren Informationssicherheit. Nicht jede Person soll zu jederzeit und von jedem Ort Zugriff auf alle verfügbaren Daten und Informationen aus den Speichern anderer erhalten. Für viele ist das ein „Leider“, für andere ein „Gottseidank“. Aus unterschiedlichen Gründen ist der Schutz von Daten und Informationen vor unerlaubtem Zugriff durch Dritte heute ein wichtiges Thema. Security kann man vielleicht als gegensätzliches Konzept zu Trust sehen, natürlich nur im Sinne von "Abschottung".

Privacy: Menschen wollen heute mehr oder weniger restriktiv ihre Privatsphäre schützen und selbst bestimmen, wem personenbezogene Daten zugängig sein sollen. Es soll nicht jeder Person erlaubt sein, ohne deren Eingeständnis die personenbezogenen Daten anderer zu verwenden. Das wird auch gerne mit dem Schutz vor dem Missbrauch personenbezogener Daten zusammengefasst, dem Datenschutz. Gerade bei nutzergenerierten Inhalten am Web oder Nutzerprofilen in Informationssystemen kocht das Thema gerne hoch.

Community: Das gemeinsame Erstellen von (IT-)Artefakten (z.B: Dokumente, Forenbeiträge) wird gerne mit dem Bilden von Gemeinsamkeit und Gemeinschaft um diese Artefakte herum ergänzt. Die Menschen zieht es hin zur Gemeinschaft. Doch zum Aufbau dieses Gefühls nutzt man heute verstärkt computergestützte Kommunikation (CMC) und Zusammenarbeit (CSCW). Das Community-Konzept ist seit dem Web 2.0 noch beliebter, und es wird manchmal sogar mit kollektiver Intelligenz bezeichnet. Community und Privacy mögen sich ganz bestimmt (nicht) :).

Trust: Die Wahrnehmung von Daten und Informationen im „Speicher“, d.h. dass/ob eine bestimmte Information oder der ganze Speicher auch vertrauenswürdig, aktuell, verbindlich, sicher, .. usw. ist, wird mit diesem Konzept umrissen. Vor allem seit dem Aufstieg von ICT ist das ein wesentliches Thema, da ein Mensch nicht mehr einen anderen Menschen Face2Face sieht (und vielleicht dessen Trust-Level nur mehr oder weniger gut bewerten kann), sondern heute beispielsweise mit dem Computer handelt, spricht oder von ihm Daten lädt. Mittels Social Software wird dann etwa versucht, durch reale Profile und echte Namen den Trust-Level zu erhöhen. Gerade beim Einsatz von Informationssystemen in Unternehmen mangelt es häufig an Trust – so wird gerne über Face2Face Gespräche eingeholt, ob ein gefundenes Dokument das richtige ist.

Nutzbarkeit und Nutzen: Die Akzeptanz von Informationstechnologien hängt vereinfacht gesagt von der wahrgenommenen Nutzbarkeit (Stichwort: Usability) sowie vom wahrgenommenen Nutzen aus der Nutzung dieser Systeme ab. Mehrwert erfahren bedeutet also Technologien auch nutzen, irgendwie doch ein logischer Zusammenhäng. Ein Nutzer kann nur diesen Mehrwert nicht so einfach schnell mal vor der Nutzung abschätzen, daher müssen Informationsmanager (oder Freunde der Nutzer) viel bzw. alles dafür tun, um die entsprechenden Menschen mit ihren Eigenschaften (z.B.: geringe Technologie-Affinität) zur Nutzung überzeugen. Bei vielen Informationssystemen ist es dann leider notwendig, dass nicht nur eine Person sie nutzt, sondern viele oder fast alle das tun müssen, damit ein Nutzen entsteht (das "alte" Schicksal gescheiterter Wissensmanagement-Systeme).

Business Models: Jede erfoglreiche ICT-Entwicklung muss heute im Sinne ihrer Anwendung auch einen hohen Nutzen stiften und dann in Geschäftsprozesse bzw. -modelle eingebettet sein, um wirklich nachhaltig zu sein. Mit Geschäftsmodellen wird die Brücke von der Technologie zur Wertschöpfung dieser Technologie gebaut [Gute Technologie + Richtige Anwendung = (hoffentlich) Mehrwert]. Gerne wird dabei zwischen Nutzenversprechen (was?), Architektur der Wertschöpfung (wie?) und Erlösmodell (wie viel?) unterschieden, oder einfach nur über das Erlösmodell diskutiert. Oftmals existiert gar kein Erlösmodell.

Für mich steht also fest, dass viele Buzz-Words wie etwa heute "Industrie 4.0" eine gewisse Haltbarkeit haben (vlt. 3-5 Jahre - man nehme den Gartner Hype-Cycle als Referenz), während die darunterliegenden technologischen Konzepte noch viele, viele, viele Jahre und immer wieder aus derselben aber auch aus unterschiedlichen Blinkwinkeln beforscht werden.

Vermutlich darf man aber nach 30 Jahren stetiger Forschung nicht mehr behaupten, dass man beispielsweise die Interoperabilität von Informationssystemen noch immer nicht zur vollster Zufriedenheit aller Stakeholder gelöst hat - und das Forschungsfeld nennt man dann eben anders.

Falls ich noch ein vergleichbar grundlegendes Konzept vergessen habe, freue ich mich auf Feedback.


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