Volker Grünauer von Jboye hat mich am 1. Dezember zu einem "Enterprise 2.0"-Gastvortrag in seine Intranet-Manager-Expertengruppe nach Wien eingeladen. Sein Veranstaltungskonzept und den Ablauf finde ich bemerkenswert, vor allem wie gut der Wissenstransfer zwischen den einzelnen Mitgliedern funktioniert. Ich kann daher nur jedem interessierten Anwender empfehlen, bei den diversen Expertennetzwerken Mitglied zu werden.
Nun zum eigentlichen Zweck meines Beitrags: Eine Diskussion in der Intranet-Manager-Expertengruppe handelte davon, wie Social Media zu handhaben ist - und vor allen, wie man mit den bei Social Media auftretenden Informationsströmen umgeht. Da ich in der Vergangenheit unter dem Titel "Wie sich Neulinge Social Media aneignen" schon einmal am PR-Blogger darüber berichtet habe, möchte ich diesen Beitrag mit Verweis auf die Expertengruppe hier in meinem Blog cross-posten.
Social XXX und Nutzenmessung
Wer den Mehrwert von Social Media Technologie systematisch
untersuchen oder gar messen will, stößt früher oder später auf ein
Phänomen, welches die CSCW-Forscher Kai Riemer und Alexander Richter
als „Nutzungsoffenheit“ bezeichnen (CSCW steht für Computer Supported
Collaborative Work). Nutzungsoffenheit bedeutet, dass Soziale
Technologien im Allgemeinen nicht mit einem typischen Anwendungsszenario
verbunden sind – ganz im Gegensatz etwa zu klassischen ERP-Systemen wie
SAP.
Soziale Technologien lassen vielmehr die Art und Weise ihrer
Verwendung einem Nutzer offen. Nur nach und nach eignen sich Nutzer eine
bestimmte Art der Verwendung an, welche sie als persönlich sinnstiftend
empfinden. Diese Nutzungsoffenheit ist ein wesentliches Merkmal von
Technologien, welche Kommunikation und Zusammenarbeit unterstützen – und
gerade bei Social Media und Enterprise 2.0 offenbart sie sich besonders
stark. Schon allein deswegen gestaltet sich die Einführung von Social
Media im Kontext von Unternehmen als besonders schwierig.
Für die Einführung Sozialer Technologien ist ein Aspekt maßgeblich:
Der Nutzen aus einer Sozialen Technologie ist immer das Resultat einer
bestimmten Art der Aneignung. Folgendes Beispiel soll diese Aneignung
illustrieren: Setzt sich ein rational denkender Mensch das erste Mal
intensiv mit Social Media auseinander, beispielsweise mit Twitter, dann
zieht er Vergleiche zu ihm bekannten Technologien – etwa zur
E-Mail. Häufig kommt es zu folgender Nutzungsweise: Im
Microblogging-Tool folgt der Nutzer möglichst vielen Personen. Er
versucht, jeden einzelnen der täglich 500 oder mehr Beiträge zu lesen,
da er es so von E-Mail gewohnt ist. Doch sein wahrgenommener Information
Overload wird den Nutzer dazu bewegen, früher oder später die Nutzung
von Twitter einzustellen, da er keinen Mehrwert darin sieht. Und fast
immer wird er Microblogging als völlig nutzloses Werkzeug abstempeln,
denn wer nimmt sich schon die Zeit, alle Tweets zu lesen.
Nicht aufhören – fortsetzen
Doch ein zweiter Weg ist ebenso denkbar: Vielleicht wird dieser
Nutzer aufgrund der zu Beginn der Nutzung gemachten Erfahrungen seine
Nutzungsweise kontinuierlich anpassen. Beispielsweise baut er sein
Follower-Netzwerk systematisch auf und achtet nicht mehr nur auf
Quantität, sondern vor allem auf die Qualität der Personen in seinem
Netzwerk. Er folgt Personen, die er gut kennt, die in ähnlichen
Bereichen arbeiten, oder die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Nun
merkt er, dass seine „Followees“ eher Beiträge veröffentlichen, die für
ihn relevant sind. Mit zunehmender Beschäftigung nimmt er zur Kenntnis,
dass Mechanismen wie „Mentions“ und „Retweets“ gerade die besonders
wertvollen Beiträge häufiger auffindbar machen.
Er liest auch nicht mehr täglich alle erscheinenden Beiträge, sondern
nutzt Microblogging vor allem in solchen Phasen, in denen er sich nicht
unmittelbar mit seinem Tagesgeschäft auseinandersetzt. Dazu nimmt er
auch sein Smartphone in die Hand, beispielsweise wenn er am Gang wartet.
Er hat erfolgreich gelernt, innerhalb weniger Minuten Beiträge mit
hohem Mehrwert für seine tägliche Arbeit aus dem Activity-Stream
herauszufiltern – ein Effekt, den die Fachcommunity mit „Serendipity“
bezeichnet, d.h. das zufällige Auffinden wertvoller Inhalte. Er gewinnt
dabei an Effizienz und schon nach wenigen Monaten wird er zum Experte
im „Browsen“ über den Activity-Stream.
Es ist immer wieder überraschend, wie sehr der Faktor (Nutzungs-)Zeit
zum Erfolg beiträgt: Nach einer längeren Experimentierphase hat der
Nutzer endlich sein persönliches wertstiftendes Anwendungsszenario
entdeckt – und damit seine Aneignung von Social Media fürs Erste
abgeschlossen.
Das Dilemma der erstmaligen Nutzung
Doch wie bringt man jemanden dazu, Social Media Instrumente erstmalig
zu nutzen? Eine reine Schulung von Funktionalitäten wird wenig helfen,
wogegen die Schulung sinnstiftender Nutzungsszenarien, wie etwa dem
vorher beschriebenen, wesentlich vielversprechender ist. Die große
Herausforderung besteht darin, einem potenziellen Anwender vorab
verständlich und nachvollziehbar zu erklären, worin der Mehrwert einer
Sozialen Technologie besteht, dass dieser ein Resultat seiner Aneignung
ist und dass der Aneignungsprozess für gewöhnlich etwas länger dauert.
Warum ist das so? Bei jeder neuen Technologie versuchen Menschen
zuerst, alte Verhaltensmuster auf diese zu übertragen. Da Menschen bei
E-Mails gewohnt sind, jede einzelne zu lesen und den Inhalt aufzunehmen,
übertragen sie ein ähnliches Verhalten auf die neue Technologie. Doch
eine solche Nutzungspraxis macht in vielen Fällen keinen Sinn – und ein
Mehrwert ist für viele Neulinge ohne eine Stütze gar nicht absehbar.
Ambassadoren als Stütze
Eine erfolgversprechende Möglichkeit aus diesem Dilemma ist der
Einsatz von Ambassadoren. Das sind besonders engagierte Nutzer, welche
sich eine neue Technologie bereits erfolgreich angeeignet haben und
daher vom Mehrwert dieser Technologie überzeugt sind. Diese Menschen
kommunizieren mit besonders viel Enthusiasmus geeignete
Anwendungsszenarien und den entstehenden Nutzen an künftige Nutzer.
Ambassadoren begleiten die erstmalige Nutzung neuer Technologien und
tragen dazu bei dazu, dass diese verstetigt wird. Auf Ambassadoren
greifen beispielsweise Unternehmen wie XING (vgl. Blogbeitrag Ambassadors bei XING) oder IBM (vgl. IBM Präsentation Social Business 2011, Folie 8 ) zurück.
Informationsmanagement, Wissensmanagement, Web 2.0, Enterprise 2.0, Social Media, Semantic Web
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5. Dezember 2011
11. März 2011
Informationsakquise über Social Media: Menschliche und technische Filter
Wie gehen wir mit dem Information Overload um? Es folgt meine Antwort auf den aktuellen Wissenswert Blog Carnival von Andrea Back und Jochen Robes.
Die Zeiten sind längst vorbei, in denen jedermann alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen konsumieren konnte (bzw. sich zumindest so gefühlt hat) – und das nicht erst seit dem Internet. Jetzt sind gute Strategien gefragt, um die für eine Person (für ein bestimmtes Ziel, eine bestimmte Tätigkeit oder einen bestimmten Bedarf) relevanten Informationen aus dem unüberschaubaren und riesigen Informationsangebot zu filtern. In meiner Informationsakquise-Strategie unterscheide ich grob zwei Arten von Filtern: menschliche und technische Filter.
Im Laufe der Zeit sind menschliche Filter für mich zur wesentlichen Gattung von Filtern geworden. Ich nutze intensiv mein soziales Netzwerk zur Informationsbeschaffung (und auch zur Teilung von Informationen, aber darum soll es hier nicht gehen). Dabei verwende ich selbstverständlich nicht nur die oft kritisierten Sozialen Netzwerkplattformen wie Facebook, Twitter, Xing oder LinkedIn, sondern setze auch auf klassische Methoden.
Was ist die Idee dahinter? Nun, Informationen, welche für Personen in meinem sozialen Netzwerk relevant sind, sind es meist auch für mich. Informationen, welche Menschen in meinem Netzwerk teilen, interessieren auch mich besonders. Ganz im Sinne von Web 2.0 / Enterprise 2.0 setzte ich hier auch auf den Serendipity Effekt, d.h. im Browsen von Activitystreams, Feeds und Dokumenten finde ich sehr oft Informationen von hohem Wert, nach denen ich vorher gar nicht implizit gesucht habe. Aus meiner Sicht hat Social Media entscheidend dazu beigetragen, dass ich mich meist sehr gut informiert fühle.
Technische Filter setze ich ein, um mich über bestimmte Themen und Inhalte gezielt zu informieren. Dazu zählt beispielsweise ein Google Alerts Agent zu meinem Namen „Alexander Stocker“, anhand dessen ich feststellen kann, wer über mich im Web etwas geschrieben hat. Dieses simple (Social) Web Monitoring empfehle ich ohnehin jedem Nutzer.
Auch bei Twitter nutze ich Suchagenten, um mich über die für mich interessanten Themen wie beispielsweise„Enterprise 2.0“, „Social Media“ und „Wissensmanagement“ zu informieren. Über Suchmaschinen wie Google kann ich nach der grundsätzlichen Befriedigung meines täglichen Informationsbedarfs dann gezielt nach weiteren Information suchen.
Aus meiner Sicht ist ein "Information-Overload" wesentlich angenehmer, als keine Informationen zu erhalten. Ich filtere lieber aus einem Überfluss an Informationen heraus, als dass ich unter- oder gar uninformiert bin. Ich bestimme lieber, was für mich relevant ist, als dass ich es andere bestimmen lasse. Ich setze lieber auf Pull- statt auf Push-Strategien. Der freie Zugang zu Information, welcher durch „Datenkraken“ wie Google erst so richtig genutzt werden kann, ist für mich ein wesentliches Gut unserer Informationsgesellschaft. Genau das sollten sich vor allem die vielen Kritiker zu Herzen nehmen. Was ihr kritisiert, setzen wir zu unserem Nutzen ein. Dazu bedarf es jedoch auch einiger Übung und es gelingt nicht sofort.
Die Zeiten sind längst vorbei, in denen jedermann alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen konsumieren konnte (bzw. sich zumindest so gefühlt hat) – und das nicht erst seit dem Internet. Jetzt sind gute Strategien gefragt, um die für eine Person (für ein bestimmtes Ziel, eine bestimmte Tätigkeit oder einen bestimmten Bedarf) relevanten Informationen aus dem unüberschaubaren und riesigen Informationsangebot zu filtern. In meiner Informationsakquise-Strategie unterscheide ich grob zwei Arten von Filtern: menschliche und technische Filter.
Im Laufe der Zeit sind menschliche Filter für mich zur wesentlichen Gattung von Filtern geworden. Ich nutze intensiv mein soziales Netzwerk zur Informationsbeschaffung (und auch zur Teilung von Informationen, aber darum soll es hier nicht gehen). Dabei verwende ich selbstverständlich nicht nur die oft kritisierten Sozialen Netzwerkplattformen wie Facebook, Twitter, Xing oder LinkedIn, sondern setze auch auf klassische Methoden.
Was ist die Idee dahinter? Nun, Informationen, welche für Personen in meinem sozialen Netzwerk relevant sind, sind es meist auch für mich. Informationen, welche Menschen in meinem Netzwerk teilen, interessieren auch mich besonders. Ganz im Sinne von Web 2.0 / Enterprise 2.0 setzte ich hier auch auf den Serendipity Effekt, d.h. im Browsen von Activitystreams, Feeds und Dokumenten finde ich sehr oft Informationen von hohem Wert, nach denen ich vorher gar nicht implizit gesucht habe. Aus meiner Sicht hat Social Media entscheidend dazu beigetragen, dass ich mich meist sehr gut informiert fühle.
Technische Filter setze ich ein, um mich über bestimmte Themen und Inhalte gezielt zu informieren. Dazu zählt beispielsweise ein Google Alerts Agent zu meinem Namen „Alexander Stocker“, anhand dessen ich feststellen kann, wer über mich im Web etwas geschrieben hat. Dieses simple (Social) Web Monitoring empfehle ich ohnehin jedem Nutzer.
Auch bei Twitter nutze ich Suchagenten, um mich über die für mich interessanten Themen wie beispielsweise„Enterprise 2.0“, „Social Media“ und „Wissensmanagement“ zu informieren. Über Suchmaschinen wie Google kann ich nach der grundsätzlichen Befriedigung meines täglichen Informationsbedarfs dann gezielt nach weiteren Information suchen.
Aus meiner Sicht ist ein "Information-Overload" wesentlich angenehmer, als keine Informationen zu erhalten. Ich filtere lieber aus einem Überfluss an Informationen heraus, als dass ich unter- oder gar uninformiert bin. Ich bestimme lieber, was für mich relevant ist, als dass ich es andere bestimmen lasse. Ich setze lieber auf Pull- statt auf Push-Strategien. Der freie Zugang zu Information, welcher durch „Datenkraken“ wie Google erst so richtig genutzt werden kann, ist für mich ein wesentliches Gut unserer Informationsgesellschaft. Genau das sollten sich vor allem die vielen Kritiker zu Herzen nehmen. Was ihr kritisiert, setzen wir zu unserem Nutzen ein. Dazu bedarf es jedoch auch einiger Übung und es gelingt nicht sofort.
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