Das Thema Erfolgsmessung und Enterprise 2.0 begeistert mich schon seit längerer Zeit. Motiviert wurde ich durch zahlreiche Gespräche mit meinem ehemaligen Kollegen Werner Schachner, der sich unter anderem auf Erfolgsmessung spezialisiert hat sowie durch einen Blog-Beitrag auf Besser20. Nun ist mein eigener Diskussionsbeitrag entstanden und ich freue mich schon auf zahlreiches Feedback und viele Verbesserungsvorschläge.
Ein weiter Weg bis zur Erfolgsmessung…
Immer mehr Unternehmen setzten auf Social Software wie Wikis, Weblogs, Social Networking Services und Microblogging auch hinter der Firewall. Dort teilen begeisterungsfähige Mitarbeiter ihre Inhalte mit Kollegen und es entsteht eine Transparenz über Informationen und Aktivitäten. Im Idealfall können sich Mitarbeiter so viel besser vernetzen und der Informationsfluss im Unternehmen wird beschleunigt.
Doch wie erfolgreich sind die eingesetzten Dienste eigentlich und woran erkennt man, dass diese erfolgreich sind? Um das herauszufinden, können auf drei unterschiedlichen Ebenen Maßnahmen ergriffen werden.
I. Die einfache quantitative Analyse der Dienste
Über in die Dienste integrierte Statistik-Module bzw. über spezielle Datenbankabfragen soll herausgefunden werden, wie intensiv diese Werkzeuge genutzt werden. Hier gilt die Philosophie, dass intensive aktive Nutzung der Dienste mit mehr Erfolg korreliert.
Klassische Kennzahlen zur Erfolgsmessung sind beispielsweise Anzahl der unterschiedlichen Nutzer, Anzahl von Beiträgen, Anzahl von Kommentaren, Anzahl von Revisionen, Anzahl neuer Kontakte, Anzahl von Folgebeziehungen, etc.
Oft wird auch noch die Gesamtanzahl der Mitarbeiter herangezogen, um die eben beschriebenen Kennzahlen zu relativieren. Dann wird beispielsweise die Anzahl der Nutzer im Verhältnis zur gesamten Belegschaft, die Anzahl von Beiträgen pro Mitarbeiter, etc. gemessen.
Solche rein quantitative Analyse leiden leider darunter, dass sie kaum etwas über den tatsächlich entstehenden Nutzen aussagen bzw. ob dieser tatsächlich entsteht. Was bedeutet es denn genau für das Unternehmen, wenn 30% aller Mitarbeiter einen Beitrag pro Woche in ihren Blogs erstellen. Nur in Kombination mit qualitativen Analysen kann hier Licht ins Dunkel gebracht werden.
Solche rein quantitative Analysen können den Nutzen durch neue Dienste über- aber auch unterbewerten: Beispielsweise kann auch in einem Unternehmen mit 10.000+ Mitarbeitern schon ein Mehwert entstehen, wenn nur ein einziger Mitarbeiter und zwar der CEO regelmäßig intern bloggt, denn schließlich entsteht ein Nutzen auch beim Lesen von Beiträgen (ich vermute, dass der CEO-Blog viele Leser hat) und nicht nur beim Erstellen. Eine rein quantitative Erfolgsmessung würde hier ggf. Gegenteiliges vermuten lassen.
Existiert nun ein bestimmtes Verhältnis von Beitragenden zu Lesern und zu Gesamtmitarbeitern, damit ein Nutzen entsteht? Da ich diese Frage ohne weitere Analyse nicht beantworten kann, möchte ich eine Ebene tiefer in der Erfolgsmessung gehen.
II. Die einfache qualitative Befragung der Mitarbeiter
Durch Enterprise 2.0 sollen nicht nur die gesamte Organisation, sondern auch oder besser vielmehr die Mitarbeiter irgendwie profitieren (die Organisation tut es vermutlich genau dann, wenn es auch die Mitarbeiter tun). Hier gilt die Philosophie, dass Erfolg mit der subjektiven Einschätzung der Mitarbeiter dazu korrelliert.
Es empfiehlt sich daher, stets die Mitarbeiter (Nutzer) zu befragen, beispielsweise ob sie aus den neuen Diensten bereits einen bestimmten Nutzen wahrgenommen haben. Zudem können auch die Verantwortlichen (Manager) gefragt werden, ob sie bereits einen Nutzen für das Unternehmen bzw. für die Mitarbeiter erkennen. Dabei kann man jedoch davon ausgehen, dass der ehrliche Manager - wenn projektverantwortlich - fast immer einen Nutzen für seine Mitarbeiter aus den Diensten erkennt ;-)
Doch welche Fragen sollen Evaluatoren nun konkret an die Mitarbeiter stellen, um den Erfolg von Enterprise 2.0 zu messen und welche Aspekte der neuen Dienste sind hierbei zu untersuchen?
Eine Unterstützung für die Beantwortung dieser Fragen kann das in der Wissenschaft äußerst beliebte Modell von DeLone und McLean zur Messung des Erfolgs von Informationssystemen darstellen. Die neuen Dienste sind ja gewissermaßen mit klassischen Informationssystemen vergleichbar und es empfiehlt sich, einen Blick in die sehr etablierte Forschung zu Informationssystemen zu werfen.
So können mit Hilfe des Modells von DeLone und McLean Fragen zu den Aspekten Informationsqualität (zB Relevanz, Personalisierung, Vollständigkeit, …) , Systemqualität (zB Verfügbarkeit, Verlässlichkeit, Benutzerfreundlichkeit, …) , Servicequalität (zB Antwortzeit, Kompetenz, Erreichbarkeit, ..) zur Nutzung (zB Art der Nutzung, Anzahl der Aufrufe, Anzahl der Beiträge, ..) zur Nutzerzufriedenheit (zB Anzahl wiederholter Aufrufe, Zufriedenheit mit dem System, …) und zum Nutzen (zB Zeitersparnis, verminderte Suchkosten, …) gestellt werden. Genau hier hilft das Modell nämlich sehr.
Das Modell will jedoch vielmehr die empirischen Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten prüfen (System-, Informations- und Servicequalität wirken sich positiv auf die Nutzungsintention und Nutzung aus; Nutzung wirkt positiv auf Nutzerzufriedenheit; Nutzerzufriedenheit wirkt positiv auf Nutzungsintention; Nutzung wirkt auf wahrgenommenen Nutzen; Nutzen wirkt auf Nutzerzufriedenheit und Nutzungsintention) und bietet per se kaum konkrete Beispiele für Fragen, welche in diesem Zusammenhang bei der Erfolgsmessung durch einen Evaluator gestellt werden sollten.
Dennoch können die einzelnen Aspekte des Modells genutzt werden, um diese Fragen zu konstruieren bzw. geeignete Indikatoren zu finden. Beispiele für solche Indikatoren finden sich beispielsweise in der Arbeit von Reisberger und Smolnik „Modell zur Erfolgsmessung von Social Software Systemen“.
Das Modell von DeLone und McLean ist sehr generisch gehalten, es zielt auf die Untersuchung eines empirischen Zusammenhangs von bestimmten Faktoren beim Einsatz von Informationssystemen ab. Unglücklicherweise bietet es auch keine Möglichkeit und keinen Hinweis, um den Nutzen von Enterprise 2.0 für einen bestimmten Unternehmensbereich (z.B.: Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb, Service und Support, …) zu messen. Wir kennen diese Bereiche ja alle aus der Betriebswirtschaft. Wollen wir hier einen Effekt auf diese Bereiche messen, müssen wir erneut eine Ebene tiefer gehen.
III. Die Nutzung von Unternehmensmodellen zur Indikatorenbestimmung
Um beispielsweise herauszufinden, welchen Effekt die neuen Dienste im Enterprise 2.0 auf bestimmte Unternehmensbereiche ausüben, empfiehlt es sich, auf weitere Modelle zurückzugreifen, welche eine ganzheitliche Sicht auf Unternehmen (und nicht nur auf Informationssysteme) ermöglichen. Damit verlassen wir erstmals die Perspektive der Informationssysteme.Hier gilt die Philosophie, dass Erfolg immer aus der ganzheitlichen Unternehmensperspektive gemessen werden muss.
Jetzt greife ich sehr gerne auf das Wissen meines ehemaligen und sehr geschätzten Kollegen Werner Schachner zurück, welcher sich schon seit langer Zeit mit der Erfolgsmessung beschäftigt.
Zwei Modelle, welche aus der Sicht von Werner Schachner (und auch aus meiner Sicht) hier unterstützend wirken, sind die „Wertschöpfungskette von Porter“ und das „EFQM Modell für Business Excellence“.
Im Idealfall überlegen sich Enterprise 2.0 Verantwortliche schon vor der Einführung von Diensten, auf welche Aktivitäten der Wertschöpfungskette von Porter (Eingangslogistik; Produktion, Ausgangslogistik; Marketing & Vertrieb; Kundenservice; Beschaffung; Technologieentwicklung; Personalwirtschaft; Unternehmensinfrastruktur, alle) bzw. auf welche Kriterien im EFQM Modell (Führung; Strategie; Mitarbeiter; Partnerschaften und Ressourcen; Prozesse, Produkte und Dienstleistungen; mitarbeiterbezogene Ergebnisse; kundenbezogene Ergebnisse; gesellschaftsbezogene Ergebnisse, Schlüsselergebnisse, alle)
sich die neuen Dienste positiv auswirken sollen.
Das macht das Messen des Erfolges einfacher, denn es fällt den Verantwortlichen leichter, die richtigen Indikatoren (ergibt sich aus den Aktivitäten / Kriterien) zu bestimmten, um die richtigen Fragen an die Nutzer zu stellen (oder die dahinterliegenden Durchlaufzeiten von Prozessen zu analysieren) um zu messen, ob sich durch Enterprise 2.0 ein signifikanter Vorteil für das Unternehmen bzw. einzelne Bereiche ergibt.
Mehr zu diesem Analyseschritt, den Indikatoren und den Fragen, folgt dann in einem meiner nächsten Blog-Beiträge. Zuerst muss ich den Inhalt einmal selbst verdauen ;-)
Informationsmanagement, Wissensmanagement, Web 2.0, Enterprise 2.0, Social Media, Semantic Web
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