11. April 2013

Wissensmanagement und das virtuelle Fahrzeug

Nun ist bereits eine Weile her, seit meinem letzten Blog Eintrag. Doch heute ist ein guter Tag für Veröffentlichungen. Seit rund eineinhalb Monaten bin ich nun am Kompetenzzentrum - Das Virtuelle Fahrzeug in der Area A Information & Process Management als Key Researcher tätig und freue mich über die neuen Herausforderungen.

Einen Teil meiner Zeit verbringe ich noch immer damit, mich intensiver in die Domäne Automotive,  Fahrzeugentwicklung - und insbesondere der virtuellen Fahrzeugentwicklung - einzuarbeiten. Dabei hilft mir mein Wissens- und Informationsmanagementbackground, die Herausforderungen der Fahrzeugentwickler als Wissensarbeiter besser zu verstehen.

Derzeit verstehe ich die generischen "Wissens-Probleme" in der Fahrzeugentwicklung ganz gut, d.h. die Notwendigkeit zur Wissenteilung, der Wunsch nach Transparenz über Information und Wissen sowie das Management von Daten und Information, was hier in speziellen Engineering-Systemen wie Produktdatenmanagement, Simulationsdatenmanagement, Anforderungsmanagement, uvm. passiert. Auf diseser abstrakten Ebene von Informationsmanagement läßt es sich auch ganz gut diskutieren.

Doch vor allem die spezfischen Herausforderungen in der Domäne sind bedeutend. Denn warum entstehen Wissens-Probleme, welcher Art sind sie und wie können sie bestmöglich gelöst werden. Um diese Fragen zu beantworten ist es wesentlich, sich noch intensiver mit dem Anwendungsgebiet virtuelle Fahrzeugentwicklung und den konkreten Ausprägungen von Daten, Informationen und Wissen dort zu beschäftigen. Was genau liegt denn dort an Daten, Information und Wissen vor und kann demnach geteilt werden, wie kann es auffindbar gemacht werden und wie kann es wieder- bzw. weiterverwendet werden.

Im Kontext des Virtuellen Fahrzeugs (darunter versteht man u.a. das virtuelle Abbild eines realen Fahrzeugs in seinem aktuellen Entwicklungsstand, sprich die Summe aller Daten und Informationen zu einem Fahrzeug, vgl. dazu eine Aussage von BMW) sind das Konzepte, Anforderungen, Materialdaten, Konstruktionsmodelle, Simulationsmodelle, Testdaten, Simulationsdaten, uvm - also riesige Mengen an Daten. Wenn man nun die obigen Fragen beantworten möchte, muss man das für jeden spezifischen Typ von Daten, Information und Wissen tun, der in der virtuellen Fahrzeugentwicklung entsteht und geteilt werden kann.

So gilt es etwa zu beantworten, worin genau die Herausforderung beim Teilen von Simulationsmodellen zwischen Ingenieuren bestehen. Um diese Frage wirklich beantworten zu können, muss man sich neben menschlichen und organisationalen Aspekten auch gut mit Simulationsmodellen, ihrem Erstellungszweck, ihrer Natur und ihren möglichen Verwendungszwecken auskennen. Denn Simulationsmodelle unterscheiden sich von ihrer Komplexität deutlich von anderen häufig geteilten Informationstypen, wie beispielsweise Office-Dokumenten. Und hier hilft mir das generische Wissensmanagement-Wissen überhaupt nicht weiter, um alle Fragen zu beantworten. Schnell diskutiert man auf einer sehr spezifischen Ebene über Kennfelder, Materialwerte, Kühlkreisläufe, etc und alleine die Darlegung eines konkreten Use-Cases fällt schwer.

Etwa hat ein Ingenieur ein Simulationsmodell für einen bestimmten Zweck entwickelt, den er am besten kennt - und der sich so auch nicht so einfach in seiner Komplexität dokumentieren läßt. Dann ist es durchaus möglich, dass er "sein Modell" mit anderen Ingenieuren deshalb nur ungern teilt, weil er befürchtet, dass "sein Modell" für einen anderen Berechnungszweck verwendet wird (d.h. für einen Zweck, für den er es nicht spezifiziert hat) und dann in der Berechnung womöglich falsche Ergebnisse generiert, auf Basis derer falsche Annahmen in der Fahrzeugentwicklung getroffen werden (für die er sich dann wiederum verantwortlich fühlt bzw. verantwortlich gemacht wird). Eine solche Begründung läßt sich nicht so einfach aus der generischen Wissensmanagement-Literatur ableiten, sondern erfordert Spezialwissen im Anwendungsgebiet und das Stellen der richtigen Fragen.

Soweit so gut. Wer sich jetzt stärker mit virtueller Fahrzeugentwicklung als Anwendungsgebiet für Informations- und Wissensmanagement auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich unbedingt den Besuch der vom Kompetenzzentrum - Das Virtuelle Fahrzeug organisierten Fachtatung GSVF (6. Grazer Symposium Virtuelles Fahrzeug), die vom 14. bis zum 15. Mai in Graz stattfindet.

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