31. Juli 2012

Kommerzielle Bücher als kostenloser Download im Web ?!

Schon seit längerer Zeit ist es möglich, über ein "geschicktes Googeln" die erste Auflage meines Buchs "Wissenstransfer mit Wikis und Weblogs. Fallstudien für den erfolgreichen Einsatz von Web 2.0 im Unternehmen" als Ebook kostenlos downzuloaden.

Es liegt nämlich auf dem "Document-Server" von Voss, welcher für jeden Web-Surfer zugängig ist - und auch von Google indiziert wurde. Ich vermute jetzt, dass diese Situation so nicht durch Voss gewollt ist. Ich möchte hier auch nichts unterstellen. Achja, an dieser Stelle kann man übrigens das besagte Ebook herunterladen.

Wie verfahre ich nun mit dieser Situation? Schreite ich erbost ein, informiere entrüstet den Gabler-Verlag, mache ich rein gar nichts, oder trage ich noch zur Verbreitung bei? Mit diesem Blog-Beitrag folgt die Antwort. Doch zuvor muss ich etwas ausholen und meine Strategie erläutern.

Grundsätzlich habe ich mein Wissensmanagement-Buch nicht aus der Zielsetzung heraus verfasst, damit "reich" zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Auflage für ein Fachbuch mit einer sehr engen Zielgruppe wohl zu gering.

Mir ging es vielmehr darum, die Forschungsergebnisse aus meiner Dissertation zu Web 2.0 im Wissensmanagement praxisnah zur Verfügung zu stellen. Denn ich freue mich, wenn meine Inhalte einen Mehrwert für andere erzeugen.

Damit mein Buch eine reelle Chance der Verbreitung erhält, habe ich mich an einen renommierten Verlag, Gabler Research, gewandt. Bisher wurde mein Buch laut Auskunft des Verlages auch mehrere 100 Mal verkauft. Der Verlag spricht dabei schon von einem großen Erfolg für ein solches Buch. Damit bin ich zwar grundsätzlich zufrieden, dennoch könnten noch mehr Menschen mein Buch lesen. Und hier kommt wieder die ungewollte Download-Option ins Spiel.

Viele werden sich womöglich fragen, wieso ich nicht gleich mein Wissen in ein frei am Web verfügbares Dokument gegossen habe. Das liegt heute ja im Trend. Nun, das Web ist als Plattform ja groß, aber realistisch gesehen doch wieder nur sehr klein.

Es folgen nun einige Absätze zur Reputation im Bereich der Erstellung von Inhalten, um meine Strategie zu erklären:
Gerade im Web-nahen Bereich gibt es eine Tendenz, dass Inhalte auch in guter Qualität kostenlos zur Verfügung gestellt werden (open content, open data, open learning resources, ...). Dennoch schaffen es nicht alle Inhalte, auch wirklich eine große Zielgruppe zu finden. Die meisten Inhalte befinden sich weit rechts auf dem long-tail und werden daher kaum nachgefragt - was den Ersteller des Inhalts zwar ärgert, dem Bereitsteller der Inhalte in ihrer Gesamtheit jedoch egal ist. Denn sehr viele wenig nachgefragte Inhalte werden in Summe nämlich wieder sehr stark nachgefragt.

Es bedarf nun einiger Faktoren, damit die Verbreitung eigener Inhalte optimal gelingt. Wesentlich dabei sind die Reputation der Autoren, die Reputation des Verlags (der Plattform), die Anzahl der Autoren und die Qualität der Inhalte.
  • Die Reputation des Erstellers der Inhalte ist der erste Parameter: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches war ich gerade einmal frisch promoviert. Auf der "akademischen Karriereleiter" ist das gerade mal das Mindestmaß, um überhaupt irgendwo gehört zu werden. Ohne einen Univ-Professortitel wird man nicht wirklich wahrgenommen.
  • Die Reputation der Co-Autoren folgt als zweiter Aspekt: Da ich selbst zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht nicht sehr viel Reputation besaß, beschloss ich, Prof. Klaus Tochtermann, meinen geschätzten "Doktorvater" und anerkannten Wissensmanagement-Experten, als Co-Autor einzuladen. Klaus Tochtermann hat natürlich auch signifikant zur Bewerbung des Buches beigetragen. Weitere Co-Autoren wollte nicht hinzunehmen, da jeder Co-Autor meine eigene Leistung am Buch schmälert. Das geht natürlich zur Lasten des Bewerbungspotenzials. Denn, um die Wirkung der Bewerbung zu vergrößern, gilt: Je mehr Autoren, desto mehr Bewerbung, weil eben jeder Autor seine Inhalte bekannt machen will.
  • Aus eben dieser Logik heraus erstellen die meisten Professoren sehr gerne Herausgeberbände wie etwa Web 2.0 in der Unternehmenspraxis. Diese haben ein spezielles Funktionsprinzip - vergleichbar mit Blogs mit Gastautoren wie etwa dem pr-blogger. Das Funktionsprinzip besagt, dass Herausgeber mit hoher Reputation nur das Buch liefern (d.h. als eine Plattform für andere Beiträge), aber nicht die Inhalte. Die Inhalte kommen somit von Gastautoren, die ihrerseits dann wieder das Buch zu dem machen, was es ist. Die Gastautoren sind über eine Plattform froh, mit der sie ihre Inhalte verbreiten können - und sie schwimmen mit der Reputation der Professoren als Herausgeber mit. Viel wichtiger ist noch, dass die vielen Gastautoren ein hohes Maß an Bewerbungspotenzial für das Buch bereitstellen. Das Web-2.0-Prinzip existiert hier also schon lange vor der Begriffsprägung durch O'Reilly.
  • Die Reputation des Inhaltsmediums ist ebenfalls kennzeichnend: Um zu signalisieren, dass das Buch als eines wahrgenommen wird, das eine gute inhaltliche Qualität aufweist, habe ich dem Gabler-Verlag den Vorzug gegenüber anderen freien Verlagen für Diplomarbeiten und Dissertationen wie VDM oder Shaker gegeben. Die Buchveröffentlichung hat zwar rund 2.000.- EUR an Druckkostenvorschuss gekostet, welcher dankenswerter Weise vom Know-Center übernommen wurde. Dafür gab es aber 50 Stück Autorenexemplare und "das Gefühl, bei einem guten Verlag zu sein". Schon rein aufgrund dieser Tatsache wird das Buch in vielen Uni-Bibliotheken stehen, denn hier gilt oft noch immer: Kein guter Verlag, kein Wert, keine Aufstellung.
  • Nun zum Thema Open & free: Das bloße Stellen des Manuskripts als PDF auf eine Web-Seite schien mir damals und auch heute kein geeigneter Mechanismus, um die Inhalte optimal zu verbreiten. Denn dazu fehlten mir damals - und auch heute - die geeigneten Multiplikatoren und Partner (z.B. in Form der vieler Gastautoren wie beim sehr erfolgreichen Projekt L3T).
Zusammenfassend habe ich
  • meine eigene geringe Reputation durch die Reputation meines Co-Autors und durch die Reputation des Gabler-Verlags aufgewertet. 
  • Mein Ziel war es, meine eigene Reputation für die Themen Web 2.0 und Wissensmanagement durch ein Fachbuch mit möglichst hoher Verbreitung zu erhöhen.
  • Allerdings wollte ich nicht mehr Gastautoren hinzufügen, als nötig, um nicht den eigenen Anteil meiner Arbeit zu schmälern. Alle Inhalte aus dem Buch stammen nur von mir. 
  • Damit musste ich auf den (sozialen) Verbreitungsmechanismus verzichten. Aufgrund der nicht vorhandenen Gastautoren sind die Möglichkeiten, über Web-2.0-Mechanismen zu arbeiten, nämlich sehr beschränkt.
Doch nun zurück zum kostenlosen Ebook.
Es stört mich in der Tat gar nicht, dass dieses absichtlich oder unabsichtlich - das sei dahin gestellt - am Web verfügbar ist. Denn damit werden noch mehr interessierte Leser ad-hoc Zugriff auf mein Buch erhalten und die Inhalte lesen. Das war immer mein Ziel - und das hilft mir auch, meine Reputation weiter zu vergrößern. So komme ich auch an weitere "Aufträge" zur Web 2.0, Enterprise 2.0 und Wissensmanagement. Solange der Verlag nicht von sich aus tätig wird, werde ich auch keine Aktionen ergreifen. Das liegt also ganz in meiner Strategie. Und mit diesem Blog-Eintrag bewerbe ich das Ebook noch.


Mittlerweile habe ich das Buch in einer zweiten, leicht überarbeiteten 2. Auflage veröffentlicht, welche nach meinem besten Wissen (noch) nicht als Ebook am Web zum Download angeboten wird. Mal sehen, wann es so weit ist ;-)








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