Schon vor 15 Jahren wurde im Fach Informationswissenschaft an der Uni gelehrt, dass ein Mensch "online" zumindest über zwei unterschiedliche Aktionen an Informationen kommt, durch Browsing und durch Searching. Wenn der eigene Informationsbedarf genau definiert ist, setzt man eine Suche ab (Searching). Wenn der eigene Informationsbedarf nicht oder nur sehr unscharf vorhanden ist, navigiert man von Web-Seite zu Web-Seite (Browsing). Beim Browsing nimmt man daher auch eher in Kauf, dass nicht alle Inhalte interessant sind (und hier kommt dann auch die Serendipity ins Spiel).
Heute kommt im Zusammenhang mit Social Networks und user-generated content noch die Informationssuche in Timelines und Activity-Streams als netzwerk- bzw. themenbasierte Informationsakquise hinzu (Scrolling ;-). Für einen Informationskonsumenten sind gerade Informationen von Personen aus dem eigenen sozialen Netzwerk, bzw. Informationen von Personen, welche sich mit einem ähnlichen Thema befassen, interessant. Soweit zum neuen Informationsparadigma.
Doch nun zurück zum Kernthema dieses Beitrags: In Social Networks wird also eine Menge an Informationen durch die Nutzer generiert und das Informationsangebot wächst und wächst. Mir persönlich ist sehr viel Information lieber, als sehr wenig oder gar keine Information. Daher ist das Informationswachstum bei Twitter auch gut so, denn mir ist klar, dass ich nicht immer jeden Tweet bzw. jeden anderen Post im Activity-Stream lesen muss – und ich mache das auch nicht.
Was mich persönlich jedoch vor allem in der letzten Zeit immer mehr und mehr zu stören beginnt (obwohl ich zugegebenerweise selbst auch damit experimentiere), sind automatisierte Tweets, welche durch mit Twitter verknüpfte Dienste veröffentlicht werden.
Zwei Beispiele solcher Störenfriede sind für mich
- paper.li - die Online-Zeitung für Twitter-Nutzer, welche sich im Informationsstrom verewigt und dort die Beitragenden zu einer automatisiert generierten Zeitung in Twitter mentioned und
- ffhelper - eine Applikation, welche sich basierend auf den eigenen Interaktionen der letzten Woche in den Twitter-Informationsstrom schreibt und dort automatisiert Follower für den #FollowFriday vorschlägt
Dadurch fällt ein Nutzer der Dienste paper.li bzw. ffhelper bei Followern auf, da er in den diversen Twitter-Clients wie zB Tweetdeck bei "Mentions" (@..) bzw. auf Twitter selbst bei "Interaktionen" und "Erwähnungen" aufscheint. Zudem erhalten Twitter-Nutzer je nach Einstellungen eine E-Mail mit einem Hinweis, dass sie von XY in einem Tweet erwähnt wurden. Somit zieht XY als Nutzer von paper.li und ffhelper immer die Aufmerksamkeit der Leser auf sein Profil, ohne dazu direkt mit spannenden Inhalten etwas getan zu haben. Ein Automatismus imitiert täglich bzw. einmal wöchentlich die (soziale) Interaktion.
Nur, durch derartig automatisierte Tweets füllt sich der Informationsstrom von Twitter rasch mit Inhalten, die von vorneherein für kaum einen Menschen eine Relevanz besitzen, höchstens noch für andere Dienste wie Klout.
Wenn nun sehr viele Nutzer durch ihre Dienste automatisierte Meldungen posten lassen (und ich schließe mich hierbei jetzt noch immer nicht aus), dann führt das dazu, dass Social Networks immer uninteressanter werden - bis schließlich jegliches „Soziale“ und auch jegliches „Inhaltliche“ aus den Informationssystemen verschwindet.
Für einen einzelnen Menschen mag eine solche Strategie, automatisierte Meldungen durch Dienste in den Stream posten zu lassen, durchaus sinnvoll sein - sie erwecken Aufmerksamkeit auf sich und ihr Profil. Wenn das jedoch sehr viele bzw. alle Nutzer tun, dann entsteht ein großer Schaden, welcher schließlich zur schleichenden Zerstörung eines sozialen Netzwerks führt. Man spricht in der Wissenschaft auch von einem sozialen Dilemma, wenn individuell rational handelnde Nutzer die Zerstörung eines Guts (zB eines Social Networks) verursachen.