24. September 2010

Enterprise 2.0: Mit neuen IT-Diensten zum agilen Unternehmen

Derzeit findet eine intensive Diskussion in der Wirtschaft statt, ob Enterprise 2.0 das neue Wissensmanagement ist oder Wissensmanagement gar ersetzt. Hierzu wurde ich zu einem Gastbeitrag im pfm-Magazin eingeladen, welcher auch auf der Telekom-Presse erschienen ist. Die Inhalte meines Beitrags stelle ich auf meinem Weblog zur Verfügung.

Enterprise 2.0: Mit neuen IT-Diensten zum agilen Unternehmen

Aufgrund des großen Erfolges von Web-2.0-Plattformen wie Wikipedia, Facebook und Twitter beginnen mehr und mehr Unternehmen damit, die vergleichbaren Dienste Wiki, Social Networking und Microblogging auch „hinter der Firewall“ einzuführen. Solche Unternehmen werden mit dem Begriff Enterprise 2.0 bezeichnet. Der Grundgedanke von Enterprise 2.0 besteht darin, dass „employee generated content“ innerhalb von Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Stakeholdern auf ähnliche Art und Weise verfügbar gemacht wird, wie „user generated content“ am offenen Web. So sollen Unternehmen durch die effektive Unterstützung von Zusammenarbeit offener und gleichzeitig auch agiler werden.

Die Nutzung von Anwendungen und Technologien aus dem Web 2.0 in Unternehmen stellt Beteiligte allerdings schnell vor sehr spezifische Herausforderungen. So müssen durch das Management definierte Strukturen und Prozesse beachtet werden. Solche Strukturen gibt es im offenen Web nicht, wo Nutzer Inhalte in Selbstorganisation und Selbstverantwortung freiwillig mit anderen teilen. Dieses Spannungsfeld zwischen der mit dem Web 2.0 implizit verbundenen Selbstorganisation und der in Unternehmen herrschenden Fremdorganisation durch Hierarchien erzeugt ein Spannungsfeld, welches die große Initialhürde für Enterprise 2.0 darstellt.
Phänomene im Zusammenhang mit Unternehmen und Portalen sind aus der Forschung zu Wissensmanagement nicht unbekannt. Aus diesem Grunde wird in der letzten Zeit verstärkt die Frage laut, ob Enterprise 2.0 das klassische Wissens- und Informationsmanagement ersetzt. Voreilig Antwortenden sei jedoch zur Vorsicht geraten, denn Wissensmanagement ist weit mehr als ein (unkoordinierter) Einsatz von IT-Diensten. Wissensmanagement hat als ganzheitlicher Management-Ansatz zum Ziel, den Unternehmen zu einem effektiveren und effizienteren Umgang mit der Ressource Wissen zu verhelfen, um daraus Wettbewerbsvorteile zu lukrieren. Daher bewegt sich Wissensmanagement im Spannungsfeld Technologie, Organisation und Mensch.

Bekanntlich kann Wissen in Unternehmen nicht den vollen Wert ausspielen, wenn es einem Mitarbeiter, welcher es zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt nicht vorliegt. Aus diesem Grund muss das Wissen eines Mitarbeiters auch jederzeit an andere Mitarbeiter transferierbar sein. Ein Wissenssuchender sollte jederzeit wissen, aus welcher Quelle (Mensch oder Tool) er eine relevante Information erhält. Enterprise 2.0 bietet zu diesem Zweck eine ganze Palette an neuen IT-Diensten, welche als neue Instrumente des Wissensmanagements eingesetzt werden können. Auffallend dabei ist, dass im modernen Wissensmanagement vermehrt die nutzerzentrierten Instrumente aus dem Web 2.0 eingesetzt werden. Das passiert ganz im Gegensatz zur Vergangenheit, wo meist monolithische dokumentenzentrierte Lösungen eingeführt wurden, welche oft an der mangelnden Akzeptanz von Mitarbeitern litten und den Ruf von Wissensmanagement nachhaltig getrübt haben.

Dennoch kann das Enterprise 2.0 viel vom Wissensmanagement lernen, beispielsweise in der Identifikation der Barrieren für den Wissenstransfer. Klassische Wissenstransfer-Barrieren sind das Fehlen von Zeit, um Wissen zu teilen oder um Kollegen zu identifizieren, welche ein relevantes Wissensangebot besitzen. Zudem fürchten Mitarbeiter, dass die Teilung von Wissen ihre professionelle Stellung negativ beeinflussen könnte. Außerdem erkennen sie oft nur schwer einen Nutzen, wenn sie Wissen an Kollegen transferieren. Menschen, welche ihre Inhalte im Web mit Gleichgesinnten teilen, kennen solche Barrieren meist nicht, denn sie haben eine höhere Affinität zum Austausch. Verfechter von nun Enterprise 2.0 argumentieren damit, dass mit den neuen Anwendungen und Technologien auch gleichzeitig die Motivation von Mitarbeitern steigt, ihr Wissen mit Kollegen zu teilen, weil sie die positiven Effekte der Wissensteilung aus dem Web 2.0 kennen. Diesen Mechanismus erfolgreich zu nutzen, gelingt vielen Unternehmen noch nicht flächendeckend, da gerade dem Web-2.0-Gedanken nicht so zugängliche Mitarbeiter zurückhaltend bleiben. Auch in als sehr innovativ geltenden und dem Enterprise 2.0 nicht abgeneigten Unternehmen teilt derzeit noch ein geringer Prozentsatz der Mitarbeiter wirklich Inhalte mit anderen. Die übrigen Mitarbeiter begnügen sich mit dem Konsum von geteilten Inhalten oder nutzen neue IT-Dienste gar nicht. Generell kann gesagt werden, dass Mitarbeiter ihr Wissen im Enterprise 2.0 teilen, wenn sie in der Wissensteilung einen Vorteil für sich erkennen. In diesem Zusammenhang kann und muss weitere Aufklärarbeit geleistet und Medienkompetenz geschult werden.

Ein derzeit im Enterprise 2.0 häufig diskutierter IT-Dienst ist die von Twitter abgeleitete Teilung von Kurznachrichten, bezeichnet mit Enterprise Microblogging. Eine sehr anschauliche Fallstudie zum Einsatz von Microblogging im Unternehmen ist Siemens, Building Technologies Division. Siemens BTD setzt seit März 2009 einen selbstentwickelten Microblogging-Dienst als Erweiterung der bestehenden von Dr. Johannes Müller betriebenen Wissensmanagement Plattform References@BT ein. References@BT ist gleichzeitig eine Community aus über 7000 aktiven Mitarbeitern aus 72 Ländern. Die Nutzung von Enterprise Microblogging verläuft aus Sicht der Verantwortlichen äußerst zufriedenstellend. So wurden beispielsweise im Zeitraum März 2009 bis März 2010 insgesamt 1331 Beiträge von 334 Autoren erstellt. Wesentliche Nutzungsgründe für die Mitarbeiter sind die einfache Art und Weise, Informationen mit anderen zu teilen, die Möglichkeit, über Microblogs aktuelle Ereignisse zu Produktveröffentlichungen, Features und Marktbewegungen zu erhalten, die Identifikation aktueller Trends und die effektive Suche nach Experten, um das eigene Netzwerk zu erweitern. Die Fallstudie Siemens BTD  ist gut dokumentiert und kann beispielsweise in der I-KNOW-Konferenzpublikation auf Englisch bzw. im DOK-Magazin auf Deutsch nachgelesen werden.

Vor allem in global agierenden Unternehmen können sich Mitarbeiter sehr rasch und auch sehr einfach über neue IT-Dienste im Enterprise 2.0 vernetzen. Doch auch für KMUs sind Anwendungen und Technologien aus dem Web 2.0 hilfreich, vor allem wenn es darum geht, den Informationsfluss im Unternehmen zu verbessern. Eine wesentliche Herausforderung beim Einsatz der neuen IT-Dienste im Unternehmenskontext besteht darin, dass sich Technologien wesentlich rascher weiterentwickeln, als sich Arbeitspraktiken der Mitarbeiter an diese Änderungen anpassen können. Eine neue Technologie kann aber nur dann ihr Potenzial ausspielen, wenn sie genutzt wird. In der Wissenschaft spricht man bei der Einführung neuer Technologien auch gerne von sozio-technischer Systemgestaltung. Dabei sind in der Einführungsphase sowohl das technische, als auch das soziale Teilsystem einer Organisation gleichmäßig zu betrachten, um den zukünftigen Nutzen eines neuen IT-Dienstes sicherzustellen.

Beliebte Beiträge