13. Februar 2012

Drei Reifegrade von Enterprise 2.0

Mein heutiger Beitrag wurde schon unter dem Titel "Enterprise 2.0: Viele reden davon - wenige tun es auch" als Gastbeitrag am prblogger.de veröffentlicht. Ich erstelle hier lediglich ein Cross-Post, um diesen Beitrag auch den Lesern meines Blogs zur Verfügung zu stellen (welche vlt. den prblogger nicht lesen).

Der Einsatz von Wikis, Weblogs und sozialen Netzwerken im Kontext von Unternehmen (Enterprise 2.0) ist in der Zwischenzeit ein alter Hut. Denn es „betreibt mittlerweile die Hälfte der Unternehmen Social Networking“ und „41% nutzen Blogs“ schreibt das CIO-Magazin basierend auf der Studie von McKinsey “How social technologies are extending the organization“. Und mehr als 100.000 Unternehmen auf der Welt verwenden den Microblogging-Dienst Yammer – also ist Social Media im Unternehmen bereits zum Standard avanciert?
 
Meine Antwort lautet “nein”! Es muss die Frage, ob Enterprise 2.0 den Weg in die Unternehmen gefunden hat, wesentlich differenzierter betrachtet werden. Denn viele Studien, Blog-Beiträge, Zeitschriftenartikel aber auch wissenschaftliche Beiträge erwecken allzu oft den Eindruck, der Einsatz von Social Media im Unternehmen ist bereits State-of-the-Art – und es geht schon hin zu größeren Zielen, vielleicht sogar zum Social Business.

Um dem Phänomen „Nutzung von Social Media im Unternehmen“ nachzugehen, empfiehlt sich gleich ein Blick in eine aktuelle Studie von McKinsey – und dort der Sprung zur Auswertung des Punkts 1 „Social Tools & Technologies currently used by companies“. Die dort vorgefundene Abbildung zeigt nämlich, dass 50% aller Unternehmen Social Networking nutzen.

Nur grundsätzlich beziehen sich diese besagten 50% nicht auf alle Unternehmen, sondern nur auf alle in der Studie befragten Unternehmen. In dieser Studie wurden 4200 Global Executives von McKinsey befragt. Viel wichtiger ist daher, wie ein Global Executive das Wort „nutzen“ versteht und wie er daher auf die gestellte Frage nach der Nutzung antwortet. In diesem Zusammenhang sind vielleicht drei Ausprägungen beachtenswert, denn es gilt grundsätzlich zwischen
  1. dem ersten Experimentieren mit Social Media im Unternehmen (einzelne Mitarbeiter sind auf Social Media intern, extern, irgendwo geringfügig oder intensiv aktiv und ein erster Nutzen auf Seite dieser Individuen ist vorhanden),
  2. der systematischen Einführung und dem operativen Einsatz von Social Media im Unternehmen (Social Media wurde zur Unterstützung eines Geschäftsprozesses, einer Division, einer Abteilung, … eingeführt und wird bereits „etwas länger“ und damit intensiver genutzt und ein Nutzen für das Unternehmen ist bereits vorhanden und messbar) und
  3. dem strategischen und langfristig erfolgreichen Einsatz von Social Media im Unternehmen zu unterscheiden (Social Media besitzt einen beachtenswerten Roll-Out-Grad im gesamten Unternehmen mit signifikanter Bedeutung für das Unternehmen,  eine Social Media Strategie ist vorhanden und diese wird kommuniziert, ein Nutzen für das Unternehmen aus dem Einsatz von Social Media ist offensichtlich, messbar, wurde evaluiert und wird von allen Beteiligten sowie der Organisation wahrgenommen).
Auf die Frage nach der “Nutzung von Social Media” werden wohl viele der befragten Global Executives bei einem Zutreffen von Punkt 1 (erste Experimente) zähneknirschend den Haken setzen. Doch der Wissenschaft, und damit meine ich jetzt einmal den mir bekannten Teil davon, sind bisher sehr, sehr wenige Unternehmen bekannt, die Social Media erfolgreich und systematisch eingeführt haben und nachhaltig genug einsetzen, mit messbarem Mehrwert.

Von einer auf gut Deutsch “ordentlichen Nutzung” ist daher aus meiner Sicht in der Gesamtheit aller Unternehmen noch lange nicht die Rede. Vor diesem Hintergrund hat sich die wissenschaftliche Enterprise-2.0-Community zum Ziel gesetzt, interessante Fallstudien systematisch zu dokumentieren und auf Fallstudienplattformen wie beispielsweise e20cases.org nach einem einheitlichen Raster zu beschreiben.

Bisher existieren aus meiner Sicht nur sehr wenige wirklich gute Fallstudien zum internen Einsatz von Social Media im Unternehmen, welche sauber dokumentiert sind, konkrete Nutzerzahlen anführen, einen entsprechend hohen Roll-Out-Grad vorweisen, bereits durch interne oder externe Personen evaluiert wurden – und damit einer strengen Prüfung durch Dritte standhalten. Und genau das lässt den Schluss zu, dass auch nur ganz wenige Unternehmen Social Media intern erfolgreich und nachhaltig einsetzen. Denn um herauszufinden, ob ein solcher Einsatz überhaupt erfolgreich und damit nachhaltig ist, bedarf es einer sauberen und systematischen Analyse von Nutzung und Mehrwert. Hier werden wohl noch ein paar Jahre vergehen müssen, bis sich dieses Bild wandelt.

Zum Abschluss meines kurzen Beitrags möchte ich im Namen der wissenschaftlichen Enterprise-2.0-Community einen Aufruf an alle Leser stellen: Wer ein Unternehmen kennt, auf welches der Punkt 3 auf meiner Nutzungsskala (strategischer und langfristig erfolgreicher Einsatz von Social Media im Unternehmen) zutrifft, der möge doch diesen Beitrag mit einem kurzen Kommentar und einem Hinweis auf das Unternehmen sowie auf eine Referenz ergänzen – und das Einsatzszenario und die Nutzung kurz erläutern. Denn ich muss ja mit meiner Meinung nicht zwangsweise Recht behalten

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