Aus meinen Beobachtungen und Gesprächen vermute ich, dass Unternehmen dieser Formulierung in der Zwischenzeit weit mehr Bedeutung zuweisen, als losgelösten Konzepten wie Wissensmanagement, Enterprise 2.0 oder Social Media - es sei denn, sie zählen sich zur 2.0-Community.
Zum Thema "Arbeit in der Zukunft" hat der aus meiner Sicht maßgebliche wissenschaftliche Player im deutschsprachigen Raum -das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) - in den letzten Jahren eine Reihe von Studien durchgeführt. Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, bei bestimmten "neuen" Themen gerne einen Blick in die Vergangenheit zu werfen - und möchte das in diesem Blog-Beitrag, wie vor einiger Zeit bei meinem Rückblick in die Welt der Virtuellen Communities, wieder einmal tun und Ergebnisse älterer Arbeiten diskutieren.
Die Ergebnisse einer von Fraunhofer IAO im Jahr 2001 durchgeführten Studie sind in einem lesenswerten Dokument „Die Zukunft der Arbeit“ zusammengefasst, welches am Web verfügbar ist. In dieser Studie wurden 4000 Experten in Deutschland und rund 200 internationale Experten befragt. Es folgt nun eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse:
- Szenarien, die in 5 Jahren (damals bis 2006) von den Befragten erwartet werden sind die Nutzung Neuer Technologien (und die Nutzung des Internet) am Arbeitsplatz, E-Mail als Standardkommunikationsinstrument, Videokonferenzen als Kommunikationsstandard im B2B und E-Commerce als Standard für alle Transaktionen.
- Hinsichtlich der Organisation der Arbeit kommt es in den nächsten 5 Jahren (damals bis 2006) zu einer Zunahme der Fusionen und weltweit agierenden Großkonzernen, zur stärkerer Vernetzung von Kleistunternehmen in virtuellen Netzwerken und zur Verbreitung von Bürokonzepten, bei denen Mitarbeiter keinen festen Arbeitsplatz mehr haben.
- In den nächsten 5 Jahren (damals bis 2006) gewinnen neue Trainingsmethoden an Bedeutung. E-Learning wird eine weit verbreitete Form des Lernens sein, viele Mitarbeiter werden selbst für ihre berufliche Weiterbildung verantwortlich sein und Lebenslanges Lernen wird zur Kernkompetenz.
Was können wir heute aus dieser Studie lernen?
- Nun, viele der genannten Argumente lassen sich wieder (fast) 1:1 auf die heutige Zeit übertragen.
- An die Stelle der generellen Nutzung des Internet am Arbeitsplatz treten heute die Nutzung von Web 2.0 und sozialen Medien.
- Während man heute zwar noch immer von E-Mail als elektronisches Standardkommunikationsinstrument spricht, so reden Experten ala 2.0 schon von Social Media Plattformen als Standardkommunikationsinstrument der Zukunft.
- Selbstbestimmtes Lernen und ad-hoc Lernen werden in der 2.0-Welt immer wieder intensiv diskutiert (siehe z.B.: im Buch Personalmanagement 2.0). Technologien ändern sich zwar rasch (und vor allem die Technologiebezeichnungen) aber die organisationalen Herausforderungen bleiben über einen langen Zeitraum fast dieselben.
Im Jahr 2004 wurde von Fraunhofer wieder eine Studie durchgeführt, deren Ergebnisse in dem Dokument „Informations- und Kommunikationstechnologien für flexible Arbeitskonzepte“ am Web verfügbar sind. In dieser Studie geht es darum, herauszufinden, ob moderne IKT einen Einfluss auf die (Mitarbeiter-/Unternehmens-)Performance und auf die Produktivität im Büro hat und ob sich die gezielte Gestaltung von IKT positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit auswirkt. Rund 1500 Teilnehmer haben den Fragebogen beantwortet.
- In dieser Studie wurde IKT tendenziell lediglich durchschnittlich positiv bewertet und es gilt, diese weiter zu verbessern und gezielter einzusetzen. Vor allem bei der Einführung von IKT gilt es die Nutzer bestmöglich zu unterstützen. Es besteht weiters ein stark positiver Zusammenhang zwischen IKT und Performance, denn Anwender, die IKT positiv beurteilen, geben auch an, eine höhere Performance zu erzielen. Ebenfalls besteht ein starker Zusammenhang zwischen der Güte von IKT und dem Wohlfühlen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz.
- Akzeptanzfaktoren für neue Technologien sind an erster Stelle originäre Eigenschaften wie Stabilität, Performance und Benutzerfreundlichkeit. Danach folgen das Fehlen persönlicher Belastungen (evt. gesundheitliche Belastungen, Schutz der Privatsphäre, Mehraufwand für das Erlernen). An dritter Stelle liegt die allg. Wirtschaftlichkeit. Und erst dann kommen Faktoren wir nahtlose Integration in die Arbeitsumgebung, und Fun-Faktoren wie Imagegewinn und Design (Anmerkung von mir: Man achte hier auf die Bezeichnung "Fun-Faktoren!")
- Spannend ist die Beurteilung von Technologien im Hinblick auf ihr Potenzial. Schon 2004 wurde von der Herausforderung in der Vermittlung konkreter Anwendungsszenarien gesprochen – und die Nutzer müssen sich in den Verbesserungspotenzialen einer Technologie für sich und ihr Aufgabengebiet erkennen.
Was können wir aus dieser Studie lernen?
- Nun, auch heute wird wieder intensiv über den ROI von moderner IKT (und insbesondere der ROI von Social Media / Enterprise 2.0) diskutiert und reflektiert.
- Ebenfalls wird in der Praxis darüber gerätselt, ob der Einsatz von moderner IKT positiv auf die sogenannten weichen Faktoren wie beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit wirkt (denn diese sind schwerer messbar, als Finanzkennzahlen).
- Und auch heute mangelt es in den Unternehmen noch oft an konkreten Einsatzszenarien (vgl. Enterprise 2.0), um das Potenzial moderner IKT vollständig zu heben.
Im Rahmen der Office 21 Initiative untersucht Frauhofer IAO, wie sich Büro und Wissensarbeit zukünftig entwickeln wird. In der Studie „Information Work 2009“ werden die Potenziale von moderner IKT in der Büro- und Wissensarbeit anhand einer Befragung von mehr als 1000 Personen untersucht.
- In dieser Studie wurde beispielsweise herausgefunden, dass „Wissensarbeit noch längst nicht auf einem akzeptablen Produktivitäts- und Performance-Niveau angelangt ist“.
- Fraunhofer beschreibt Komplexität, Autonomie und Neuartigkeit als die drei wesentlichen Charakteristika von Wissensarbeit und identifiziert vier verschiedene Wissensarbeitstypen (vgl. Vortrag von Udo-Erst Haner): Wissensbasierte Arbeit (zB Assistenzaufgaben); wissensintensive, Wissen applizierende Arbeit (zB Fachtätigkeiten); wissensintensive, wissensgenerierende Arbeit (zB Ingenieurstätigkeit in Laboren) und Wissensarbeit im engeren Sinn (zB Beratung, F&E, Wissenschaftler).
- Diese Studie sieht wiederum einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Qualität der IKT und der Prozess-Performance (ein geliebtes Diskussionsthema - heute und auch früher).
Prof. Peter Kern von Fraunhofer IAO stellt in seinem Vortrag “Zukunftsszenarien – wie wir morgen arbeiten werden” sieben Thesen für die Arbeitswelt der Zukunft auf:
- Der durch die Globalisierung hervorgerufene Wettbewerb greift auf Einzelpersonen über.
- Mit dem Wandel zur Wissensgesellschaft vollzieht sich ein Wandel der Arbeitsplätze zu Wissensarbeitplätzen.
- Da Wissensarbeit zunehmen wird, ist ein schnelles Reagieren der Aus- und Weiterbildung ein Erfolgsfaktor.
- Denn hochqualifizierte Mitarbeiter gehören zu den wertvollsten Ressourcen.
- Da Personal- und Unternehmensführung zusammenrücken verlangen diese nach Arbeitskonzepten, die Arbeit produktiver und attraktiver machen.
- Qualifizierungsstrategien gehören an Lerngruppen und Zielgruppen angepasst.
- Treibende Kraft für Kompetitivität sind Wissensmanagement, lebenslanges Lernen und E-learning.
Was können wir wiederum daraus lernen?
- Nun, viele der Themen rund um den Arbeitsplatz der Zukunft, über die wir auch heute sprechen, sind nicht völlig neu. Denn die grundlegenden Konzepte und Ideen wurden bereits in der Vergangenheit beschrieben bzw. in wissenschaftlichen Arbeiten identifiziert.
- Dennoch sind aktuelle Entwicklungen spannend: So hat zB Bianca Gade von Netmedia Ende 2011 die Ergebnisse einer Blog-Parade zum „Arbeitsplatz der Zukunft“ mit insgesamt 23 Beiträgen veröffentlicht. Dort finden sich die neuesten Entwicklungen und Visionen, einiges ist neu, anderes haben wir durchaus schon an anderer Stelle gelesen.
Und wem das noch immer nicht reicht, auch ich beschäftige mich derzeit in Projekt "Future Workplace" mit gemeinsam mit Andrea Denger vom Kompetenzzentrum – Das virtuelle Fahrzeug mit dem Thema „Arbeitsplatz der Zukunft“. Vor allem der Einsatz von Social Media interessiert uns, denn zunehmend spricht man immer mehr von der ganzheitlichen Integration von Social Media am Arbeitsplatz.
Im Zuge dieses Projekts haben wir bisher bereits eine Reihe von Experten, darunter auch den Social Media Experten der FH Joanneum, Heinz Wittenbrink, interviewt. Heinz hat die Ergebnisse aus unserem Interview auf seinem sehr empfehlenswerten Blog zusammengefasst. Auch IBMs Social Media Experten, Stefan Pfeiffer, der immer wieder Beiträge zum Arbeitsplatz der Zukunft auf seinem Blog veröffentlicht, durften wir zu diesem Thema schon befragen.
Zu unserem Projekt wird es in Zukunft auf diesem Blog auch weitere Informationen geben - und bis dahin wünsche ich viel Spaß beim Lesen der hier zitierten Studien/Beiträge.