8. Mai 2017

Quantified Car: Runde Zwei

Mittlerweile schweben Forscher in der Automotive-Domäne im siebten Buzzword-Himmel. Es gibt kaum einen Begriff aus dem IT/IKT Bereich, den sie nicht sofort aufgreifen.

Nachdem die Automotive-Szene in Bezug auf IT/IKT-Phänomene rund um das vernetzte Fahrzeug auf den Sammelbegriff "Connected Car" setzt, wollten wir (d.h. Christian Kaiser, Michael Fellmann und ich) bewußt einen Terminus einführen, der lediglich die zunehmende Nutzung der von Fahrzeugen generierten Daten für die Entwicklung neue Produkte und Services thematisieren soll.

Abgeleitet vom bekannten Quantified-Self-Phänomen verwenden wir den Begriff "Quantified Vehicle", den wir auch im Rahmen eines Catchword-Beitrags mit dem Titel Quantified Vehicles: Novel Services for Vehicle Lifecycle Data im Journal BISE - Business & Informations Systems Engineering - und damit in die Wirtschaftsinformatik - eingeführt haben.

Wie ich bereits vor einigen Monaten im Blogbeitrag Quantified Car: Fahrverhalten als Daten-Geschäftsmodell beschrieben habe, begeistern wir uns am VIF sehr für die Möglichkeiten, das Fahrzeug als "vielschichtigen Sensor" zu nutzen, um damit in Analogie zur Quantified-Self-Bewegung, neue Anwendungen für die intelligente Nutzung von Fahrzeugdaten zu erforschen.

Dass sich dahinter ein sehr großer Markt verbirgt, haben wir in den beiden Beiträgen Quantified Vehicles: Novel Services for Vehicle Lifecycle Data und Quantified Car: Potenziale, Geschäftsmodelle und Digitale Ökosysteme bereits ausreichend gezeigt. Ein jüngst bei der 2nd International Conference on New Business Models akzeptiertes Paper soll diese Diskussion noch weiter anheizen, indem es in Ziele und Absichten der beiden Stakholder-Gruppen Fahrzeughersteller vs. Tech-Startups einführt.

Gerade in den USA sind in diesem Umfeld in den letzten Jahren einige interessante Tech-Startups enstanden. Doch was machen diese Startups nun konkret?

Um dieser Frage nachzugehen, bin ich vor einigen Monaten mit dem Tech-Startup Zendrive.com in Kontakt getreten. Zendrive positioniert sich als ein Tech-Unternehmen, welches Straßen sicherer machen möchte, indem es Fahrer zu einem sichereren Fahrstil anleiten will (mission: "safer  drivers, safer roads").

Da wir uns am VIF im Projekt AEGIS - Advanced Big Data Value Chain for Public Safety und Personal Security mit dem Thema "Fahrzeugdaten intelligent nutzen, um die Sicherheit im Strassenverkehr zu erhöhen" auseinandersetzten, wollte ich die Apps & Services von Zendrive einfach einmal ausprobieren. Mit dieser Absicht habe mich bei der (für die USA konzipierten) Plattform als User registriert.

Schon kurze Zeit nach meiner Registrierung hatte ich einen intensiven Email-Austausch mit Todd Thomas VP Business Development von Zendrive gestartet, der mir nach Vorstellung unserer Aktivitäten im Projekt AEGIS einen Zugang zur Plattform freigeschaltet hat. Großer Dank an Zendrive, dass ich die Anwendung intensiv testen kann!
(A big thanks to Zendrive for allowing me to test their services).

Zendrive nutzt die vom Smartphone des Fahrers gesammelten Daten, um aus diesen (sicherheitsrelevante) Events zu detektieren, mit denen letztendlich Aussagen über den Fahrstil eines Fahrers gemacht werden können. Dabei werden u.a. Gamification-Mechanismen eingesetzt, um den Fahrer zu einem sichereren Fahrverhalten zu animieren.

Quelle: Zendrive Website
Zendrive positioniert sich IMHO nicht als Lieferant eigener mobile Apps. Vielmehr sieht sich Zendrive als Technologie-Anbieter für Datenanalysen im Automotive-Umfeld. Die von Zendrive dazu bereitgestellten SDKs (zur Detektion sicherheitsrelevanter Ereignisse) können dann durch die Herstellern ganzer Flottenmanagement-Systeme in eigene Smartphone-Apps integriert werden. Die aufgezeichneten Smartphone-Daten der Fahrer werden über das Smartphone ins "Zendrive-Rechenzentrum" übertragen, sowie dort gesammelt und analysiert. Zendrive stellt wiederum Dashboards sowie APIs bereit, um die Ergebnisse im Browser bzw. in eigenen Anwendungen darzustellen.

Ich habe mir eine Demo-App für Zendrive für Android kompiliert, um die Funktionalitäten selbst zu testen (Zendrive liefert hier dankenswerterweise den Code, den man für eine einfache Demo-App benötigt). Diese einfache Demoanwendung erkennt automatisch, wann eine Fahrt startet und endet und ermöglicht so für jeden Tripp eine detaillierte Auswertung. Zendrive berechnet daraufhin Scores, um sicheres Fahren zu quantifizieren. So berechnet etwa der Contol-Score die Tendenz eines Fahrers stark zu beschleunigen, stark zu bremsen bzw. schneller als erlaubt zu fahren.

Quelle: Zendrive Dashboard

Alle vier Scores können auch für jeden Trip einzeln berechnet werden. In der nachfolgenden Abbildung habe ich bewußt einen Trip ausgewählt, in dem viele Events enthalten sind, welche von Zendrive alle erfolgreich detektiert wurden. Im Dashboard werden diese Events auf Open Street Map visuslisiert. Das hervorgehobene Event beschreibt etwa "Speeding", also eine überhöhte Geschwindigkeit. Bei den anderen handelt es sich etwa um Speeding, starkes Bremsen, oder starkes Beschleunigen.

Quelle: Zendrive Dashboard


Alles in allem zeigt Zendrive sehr viele  interessante Ansätze für eine intelligente Analyse von Smartphone-Daten. Es macht einfach richtig Spass, sich nach einer Fahrt eine Übersicht über die gefahrenen Trips am Smartphone anzusehen. Vor allem die vielen Brems- und Beschleunigungsmanöver werden sehr schön dargestellt und man kann sich zusätzliche Informationen dazu anzeigen lassen.

Viele Tech-Startups nutzen jedoch nicht das Smartphone, sondern einen mit der OBD-Schnittstelle des Fahrzeugs verbundenen Adapter zur Datensammlung. Diese haben wir recht detailliert in unseren Beiträgen Quantified Vehicles: Novel Services for Vehicle Lifecycle Data und Quantified Car: Potenziale, Geschäftsmodelle und Digitale Ökosysteme beschrieben. Da allerdings viel mehr Personen ein Smartphone besitzen, als einen solchen OBD-Adapter, wird der Zendrive-Weg kurzfristig vermutlich eine höhere Anzahl an Nutzern generieren, als die Variante über OBD.

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