27. Januar 2011

Zur Transparenz im Social Web

Ich wurde als Panelist beim Mariazeller Dialog zum Thema Ethik der Informationswissenschaften - Social Web - eingeladen und möchte hier gerne einige Gedanken, aus meiner Vorbereitung teilen:

Vorerst eine kurze Einleitung: Die Ethik befasst sich mit Fragen rund um das (moralisch) richtige Handeln von Menschen. Die Informationswissenschaft beschäftigt sich als eigene Disziplin mit Information und Wissen. Im (Social) Web haben sich die Nutzer von Konsumenten von Information zu Produzenten von Information. Das Web übt eine unglaubliche Faszination auf Menschen aus, Inhalte mit anderen zu teilen. Durch Anwendungen des Web 2.0 wie StudiVZ und Facebook ist es für einzelne einfacher denn je geworden, (personenbezogene) Inhalte zu verbreiten und damit potentiell 2 Mrd Internetnutzer zu erreichen.

Aus meiner Sicht ergeben sich hier für die Ethik auf den ersten Blick zwei Handlungsfelder und vor allem daraus, weil der Einzelne defacto nicht mehr bestimmen bzw. gar verhindern kann, was über ihn am Web veröffentlicht wird. Warum das?

Grundsätzlich stellen Nutzer Informationen, meist unter Angabe ihres echten Namens, im Web zur Verfügung. So arbeiten sie an ihrer digitalen Identität. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
  • Fall 1: Eine Person veröffentlicht Inhalte über sich selbst
  • Fall 2: Eine Person veröffentlicht Inhalte über Dritte

Vor allem die Veröffentlichung von Inhalten über Dritte erscheint mir noch viel problematischer, denn Personen aus dem eigenen Netzwerk bzw. dem Veröffentlicher gänzlich fremden Personen konsumieren diese Inhalte.

Fall 1: Die in den Inhalten adressierte Person (adressierte Person = Veröffenlicher) kann bestimmen, wie sie sich im Web selbst darstellt. Durch mehr Kompetenz im Umgang mit dem Web und mit Sozialen Netzwerken sind die Auswirkungen der virtuellen Selbstdarstellung viel stärker kontrollierbar, weil dann eine Person die Art und Weise, wie sie sich im Web präsentiert, sowie die Information, welche sie über sich veröffentlicht, (hoffentlich) mit Bedacht wählt. 

Fall 2: Die in den veröffentlichten Inhalten adressierte Person konnte leider nicht bestimmen, wie sie im Web dargestellt wird (adressierte Person =/= Veröffentlicher). Ferner kann sie nicht bestimmen, wer alles diese Inhalte konsumiert, bzw. diese Veröffentlichung gänzlich verbieten. Adressierte Personen können in der Regel überhaupt nicht verhindern, dass Inhalte über Sie veröffentlicht werden. Dies kann dazu führen, dass, je nach Art der veröffentlichten Inhalte, auch negative Effekte für den Adressaten entstehen. Über diese wird dann meist noch viel mehr gesprochen, denn negative Inhalte haben meist ein höhreres virales Potenzial in unserer Gesellschaft.

In diesem zweiten Fall ist besonders wichtig, dass auch alle Dritten, welche diese Inhalte konsumieren können, die entsprechende Kompetenz besitzen, um evt. negative Auswirkungen (zB durch einen Personalchef, der in einem Bild beobachten kann, wie sich ein potenzieller Bewerber betrinkt), zu vermeiden. In diesem Fall muss der Konsument der Inhalte (z.B. der besagte Personalchef) erst erlernen, wie er diese Inhalte am Web deuten soll und wie er letztendlich damit umgeht, bzw. sie in sein Handeln einbezieht.

Aus meiner Sicht geht es primär darum, wie hier mit Inhalten am Web und der daraus entstehenden Transparenz über Personen umgegangen wird. Folgende pragmatische Maßnahmen schlage ich vor:
  • Es sollen solche Inhalte veröffentlicht werden, welche einer Person nicht vorsätzlich schaden (z.B.: keine "Saufbilder" eines Freundes), vor allem in sehr sensiblen Themenbereichen.
  • Alle Menschen (auch und vor allem die Konsumenten) benötigen viel mehr Kompetenz im Umgang mit den Neuen Medien und vor allem auch, um die Folgen eines "ungeschickten" Umgangs mit Inhalten abschätzen zu können.
  • Im Sinne einer Ethik agierende Plattformbetreiber können durch prominent platzierte Hinweise auf ihrer Website genau auf diese beiden Aspekte hinweisen. Beispielsweise können sie durch Bild oder Text beschildern, dass Inhalte auf dieser Plattform der subjektiven Sicht einzelner entsprechen und nicht der Wahrheit letzter Schluss sind.
Die Wahrnehmung von Transparenz und Schutz der Privatsphäre scheint länderspezifisch ohnehin stark unterschiedlich zu sein. In Schweden und Norwegen zeigt man sich hier viel offener. Dort werden beispielsweise offizielle Urkunden und sogar das Einkommen jedes einzelnen transparent gemacht. Die dahinter steckende Idee besteht darin, dass es einer (offenen) Demokratie zugute kommt, wenn die Herrschaftsausübung kontrolliert wird. Mehr Transparenz mindert das Risiko eines
Machtmissbrauchs. Doch auch hier kommt es zu negativen Effekten: So kann unterstellt werden, dass reiche Opfer leichter gefunden werden können oder Kinder darunter leiden, wenn sie erkennen, dass ihre Eltern viel ärmer sind, als die von Schulkollegen.

Offenheit schützt vor Machtmissbrauch. Offenheit schützt daher meist nicht die Mächtigen. Ein Staat, der vor seinen Bürgern nichts mehr geheim halten kann, hat die ganze Gesellschaft als Kontrollinstanz. Die Vermutung besteht darin, dass Politiker und Staatsbedienstete, die befürchten müssen, dass z.B. ihre Reisekostenabrechnungen von der Presse oder gar von einem einfachen Bürger durchgesehen werden, sich stets korrekt verhalten.

Generalisierte Idee von Transparenz: Jemand der weiß, dass er von allen kontrolliert werden kann, wird sich stets korrekt verhalten.

Bisher war die Informationstechnik auf Computer beschränkt. Diese hält aber immer mehr Einzug in Alltagsgeräte wie Mobiltelefone, Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen, usw. Mit RFID und dem Internet der Dinge wird dieser Trend konsequent fortgesetzt, wodurch Geräte des Alltags intelligenter (also zu "smart things") werden. Maschinen (wie zB der Kühlschrank mit dem Regal in einem Supermarkt) tauschen sich untereinander aus, ohne dass ein Mensch manuell eingreifen muss. Die Herausforderung im Hinblick auf den Schutz der Privatsphäre sowie dem Umgang mit Transparenz wird daher noch größer werden.

Einige Referenzen:

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