25. Juli 2012

Technologie vs Anwendung - wann kommt der Paradigmenwechsel in der Forschung?

Nach mehr als 8 Jahren in der Forschung an Informatik-Instituten als interdisziplinärer Exot möchte ich heute die Gelegenheit ergreifen, kritisch über ein Thema zu schreiben, welches mir schon lange am Herzen liegt: Der vehemente Fokus auf Softwareentwicklung in der Forschung und die Vernachlässigung jeglicher Aspekte der Softwarenutzung im Hinblick auf den effektiven und effizienten Einsatz in Unternehmen. Werte Informatiker, "Usability" alleine ist nämlich zuwenig.

Wir freuen uns heute über die Möglichkeit, riesige EU-Forschungsbudgets an Land zu ziehen, mit dem Ziel, innovative Software zu entwickeln. In diesem Projekten werden viele Zeilen an Code produziert. Es entsteht die 356te Funktionalität und die 427. Regel. Doch was dann?

Wie schaut es in den Unternehmen aus? Heute stehen den Unternehmen Unmengen an Software-Lösungen zum Teil sogar kostenlos zur Verfügung - und damit sind sie jederzeit für eine Nutzung bereit. IKT-Möglichkeiten sind heute gegeben, doch woran scheitert es wirklich?

  • Leider finden Technologien nicht von alleine geeignete Nutzungsmuster. 
  • Weiters experimentieren längst nicht so viele Individuen (Mitarbeiter) mit Technologien, wie wir glauben.
  • Außerdem sind  Unternehmen in der Technologienutzung noch längst nicht so weit, wie wir es gerne hätten. 
  • Es gelingt in den Unternehmen nicht neue Technologien in die Geschäftsprozesse von Unternehmen zu integrieren. 
  • Die Zusammenarbeit der Menschen in Unternehmen ist nicht auf den Einsatz der neuen IKT ausgerichtet - und in der Folge wird sie dadurch nicht unterstützt. 
  • Der erhoffte Innovationssprung bei den Unternehmen bleibt aus.

Aus meiner Sicht ist der Technologieentwicklungs-Fokus vor allem in der Förderlandschaft im Hinblick auf Business-Lösungen für Informationsmanagement sehr zu hinterfragen. Denn die Innovation entsteht zumindest für mich nicht aus der Technologieentwicklung, sondern aus dem zielgerichteten Technologieeinsatz. Technologie braucht immer ihre Anwendung - und diese Anwendung muss stärker gefördert werden.

Ein schlechtes Beispiel dafür ist Social Media, wo zahlreiche Anwendungen möglich wären. Die EU führt im neuen ICT Work Program 2013 Social Media sogar als eigene Sub-Challenge im Objective ICT-2013.1.6 Connected and Social Media  an (auf Seite 23) und vergibt dort Projekte mit hohen Budgets. Doch was genau versteht die EU unter Social Media und was erwartet sie - ich las es mit einem Schaudern: Wieder geht es nur um reine Entwicklung, wo das Problem doch an einer ganz anderen Stelle liegt - der ineffektiven Nutzung von Social Media durch Organisationen und der fehlenden Integration in die Geschäftsprozesse.

Es fehlt den Verantwortlichen in den Unternehmen sowie den Mitarbeitern an vielen Dingen, aber sicherlich nicht an der Verfügbarkeit von Software. Anstatt Softwareentwicklung zu pushen, müssen vielmehr technologieeinführende und begleitende Aspekte erforscht werden. Es fehlt heute an Methoden-Know-How und nicht an Softwarelösungen!

Die Förderlandschaft wird heute wesentlich stärker darauf Wert legen müssen, Projekte zu fördern, welche Methoden, Szenarien und Fallstudien erforschen. Das bezieht solche Methoden ein, mit denen man Individuen, Organisationen und am Markt agierende Unternehmen dazu bewegen kann, neue Informations- und Kommunikationstechnologien zu nutzen / einzuführen / in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren - denn  hier fehlt es wirklich an Wissen. Sonst wird aus einer Technology niemals eine "Business Technology".

Soweit mein Beitrag - und vielleicht entsteht daraus ja eine Diskussion.

Zum Abschluss möchte ich auf Anfrage von McKinsey auf den McKinsey Business Technology Award 2012 hinweisen. Ich war 2010 mit dem Thema Wissensmanagement mit Web 2.0 unter den Finalisten - und kann daher jedem die Teilnahme an dieser tollen Veranstaltung mehr als empfehlen! Kreative Bewerbungsunterlagen sind jedoch notwendig.




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