26. April 2011

Matthäus liebt Twitter - Links auf klassische Medieninhalte im Vormarsch

Der Netzökononom der FAZ – Holger Schmidt – hat unlängst in seinem Beitrag berichtet, dass „ein Drittel aller Twitter-Links in Deutschland auf klassische Medien verweist.“ „Twitter-Nutzer verweisen in einem hohen Maße auf Inhalte, die aus klassischen redaktionellen Medien stammen“ bestätigt der im Beitrag genannte Axel Maireder in seiner Twitter-Studie. Warum dies der Fall ist, wird im Beitrag nicht ausdrücklich erklärt. Soleiten Facebook und Twitter Leser auf Nachrichtenseiten weiter und die Medienindustrie freut sich darüber.

Nun sind wir in der Wissenschaft ja darum bemüht, tagtäglich Erklärungen für Phänomene zu finden, welche wir zuvor entdeckt haben. Gerne nutzen wir dafür bestehende Theorien und Modelle - bzw. entwickeln einfach neue, falls wir in der Literatur nicht fündig werden. So habe ich mich nun auf die Suche nach einem Erklärungsversuch gemacht, warum ein Drittel aller Twitter-Links auf klassische Medien verweist.

Der Ausgangspunkt für meinen Geistesblitz war jedoch eine spontane Erinnerung an eine Vorlesung an der Universität Graz (lange ist es inzwischen her) von Professor Wolf Rauch. Professor Rauch hat in der VO Informationswissenschaft von einem interessantem Theorem – dem Matthäus Effekt gesprochen. Umgangssprachlich sagt dieser Effekt, „wer hat, dem wird gegeben“. In der Wissenschaft ist er dieser Effekt auch im Rahmen der Zitationsanalyse relevant.

Der Matthäus Effekt ist generell mehr als brauchbar, weil er sehr viele Phänomene erklären kann. So kommt man mit diesem Effekt und dem Pareto Prinzip (80:20 Regel, Power Law, ..) bei der Erklärung von Phänomenen ganz gut durchs Leben.

Doch nun zurück zur Erklärung des Twitter-Phänomens: 
  • Klassische Medien wie beispielsweise die FAZ zeichnen sich dadurch aus, dass sie über viele Leser verfügen – und meist auch über weit mehr Leser und weit mehr Reichweite, als der typische, fleißige, private Twitterianer oder Blogger.
  • Ein etabliertes klassisches Medium kennen demnach auch per se weit mehr Menschen, als den  Twitterianer oder Blogger. Eine über ein klassisches Medium (erst)verbreitete Information hat demnach auch eine größere Chance, dass sie ein beliebiger Twitterianer aufgreift und weiterleitet, als es eine Information eines anderen (unbekannten) Twitterianers hat. 
  • Damit ist es nur verständlich und auch nachvollziehbar, dass in der Informationsverbreitung und Informationsweiterleitung über Twitter ein großer Teil der Informationen (der nicht echte Konversation ist) auch aus den klassischen Medien stammt, die ja einen großten Teil der Inhalte produzieren und über Twitter weiter verbreitet wird. 
  • Und Matthäus würde heute vielleicht sagen: Denn, wer (im Web) bekannt ist, wird noch bekannter. Und wer (im Web) viel Reichweite hat, dem wird noch mehr Reichweite gegeben. Und wer (im Web) viel Geld verdient, der wird noch reicher.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an einen Beitrag, den ich einmal in meinem Blog geschrieben habe und in dem es darum geht, „wann man jemand im Web ist“. Ergänzend sei an dieser Stelle auch auf diesen alten Beitrag zu Online vs. Offline Reputation hingewiesen. In diesem Sinne freue ich mich über viele Tweets und Mentions zu eben diesem Beitrag ;-)

P.S.: Bei einer abschließenden kurzen Recherche in Google habe ich festgestellt, dass sich auch die Webevangelisten bereits mit dem Matthäus-Effekt und Twitter befasst haben. Damals ging es darum, die Frage zu beantworten, ob Twitterianer mit mehr Followern auch ein stärkeres Followerwachstum haben. Dabei wurde der Effekt nicht bestätigt, was mich (und nicht nur mich) eigentlich verwundert. Das Ganze kann hier nachgelesen werden.

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