24. Juni 2013

Umgang mit Wissen und Erfahrung in der Fahrzeugentwicklung

Bei der vom Kompetenzzentrum - Das Virtuelle Fahrzeug organisierten Veranstaltung 6. Grazer Symposium Virtuelles Fahrzeug durfe ich mit meinem Kollegen Martin Wifling einen Action Table zum Thema Umgang mit Wissen und Erfahrung in der Fahrzeugentwicklung moderieren. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse möchte ich auch auf meinem Blog zur Verfügung stellen.

Folgende Themenbeschreibung diente als Teaser für Teilnehmer am Action Table: Der effiziente und effektive Umgang mit Wissen und Erfahrung ist gerade heute eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Fahrzeugentwicklung. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass trotz intensiver Bemühungen (u.a. Wissensmanagement-Projekte) der Erfolg der eingesetzten Methoden und Werkzeuge weit unter den Erwartungen geblieben ist. In diesem Action Table wird diskutiert, welchen Stellenwert der systematische Umgang mit Wissen und Erfahrung heute in der Fahrzeugenwicklung hat, welche Methoden, Werkzeuge und Technologien bereits (mit Erfolg) angewendet wurden und was dabei die wesentlichen Erfolgsfaktoren gewesen sind.

Die Ergebnisse waren für mich aus Sicht von Wissensmanagement nicht wirklich überraschend: Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der effiziente Umgang mit Wissen und Erfahrung in der Entwicklung eine große Herausforderung darstellt. Vor allem ist es wesentlich, Wissen dorthin zu bewegen, wo es gerade benötigt wird. Es gilt Ansätze zu schaffen, um Wissensträger in den Unternehmen leichter auffindbar zu machen. Dazu wurden Expertenlaufbahnen (Eigenmarketing für Experten), Interne Yellow-Pages (Suche nach Wissensträgern über Schlagworte) und Company Search (Suche nach Dokumenten und deren Autoren im Intranet) genannt.

Erfolgreiche Projekte im Wissensmanagement waren in der Vergangenheit nur solche wenige, wo sich die Projektleitung nicht auf die Software-Lösung alleine konzentriert hat, sondern das gesamte System aus Mensch, Prozessen, Organisation und Technologie berücksichtigt wurde.

Heute werden Fehler aus der Vergangenheit transparent: Es wurde etwa Fahrzeugentwicklern mehr als 20 Jahre lang gelernt, "nicht über den Tellerrand zu blicken". Damit sind Abteilungssilos entstanden und das Abteilungsdenken wurde gefördert. Das erschwert die Zusammenarbeit bei interdisziplinären Themen wie etwa der Gesamtfahrzeugsimulation, welche das perfekte Zusammenspiel von unterschiedlichen Abteilungen erfordert und nur durch Wissensteilung funktionieren kann.

Eine große Hemmschwelle für den partizipativen Umgang mit Wissen wird daher in den bestehenden Firmenkulturen gesehen. Entwickler müssen heute erst lernen, dass sie etwas im Gegenzug dafür erhalten, wenn sie Wissen weitergeben. Es muss ihnen erlaubt werden, Fehler zu machen und zuzugeben - und dafür es braucht einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Viele Mitarbeiter teilen auch nicht als Angst, d.h. sie geben nicht zu viel raus, sonst machen sie sich entbehrlich, indem etwa Entwicklungstätigkeiten werden nach Indien abgegeben werden. Viele teilen auch nicht, weil es ihnen gar nicht bewusst ist, über welches Wissen sie verfügen. Es wird immer nur ein Bruchteil der Mitarbeiter sein, welche ihr Wissen über elektronische Hilfsmittel teilen werden (der Face2Face Anteil ist immer größer).

Für aktive Wissensteilung ist viel Training auf der Ebene des einzelnen Entwicklers nötig. Vor allem aber ist die Vorbildwirkung des Managements entscheidend, welches in Punkto Wissensteilung eine Vorreiterrolle einnehmen muss. Wissensteilung ist ein Führungsthema: Die Aufgabe eines Mitarbeiters als Wissensträger muss daher in Karriereplänen und Stellenbeschreibungen verankert sein, die Aufgabe der aktiven Wissensteilung bei Experten ebenfalls. Oftmals wird aber in Unternehmen ein völlig anderer Weg gegangen, der Wissensaustausch verhindert. Beispielsweise gibt es immer wieder Tendenzen, Kaffeeküchen und Raucherplätze abzuschaffen, obwohl diese Umschlagsplätze für Wissen darstellen. Hier gilt es immer den Trade-off zwischen Kommunikation und Arbeit zu berücksichtigen.

Wissensteilung hilft, dass das Rad nicht zwei Mal erfunden wird. Als Beispiel wurde genannt, dass bei einem OEM etwa jede Fachabteilung ein Gesamtfahrzeugmodell braucht und sich dieses sehr oft selbst strickt. Denn bei einer Modellweitergabe herrscht die Angst, dass jmd. mit diesem Modell etwas macht, wofür es nicht konzipiert wurde, und dann der Modellersteller verantwortlich gemacht wird. Daher gilt es zu kommunizieren, dass für die Verwendung des Modelles immer der Nutzer verantwortlich ist. 

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